Freitag, 9. Juli 2010

Tatarataa - Meldung aus Kashgar


Wir sind nicht umgekehrt. Wir sind in Kashgar eingetroffen, dem Knotenpunkt der Seidenstrasse, von wo die Wege entweder in die erbarmungslose Takkla-Makan Wueste fuehren, ins inzwischen fuer Touristen abgeriegelte Tibet oder ueber den Karakorum in die nochmals andere Welt Suedasiens. Ein guter Ort, unsere Veloreise zu beenden. Wir haben die zentralasiatischen Gebirge hinter uns gelassen, sechs Zeitzonen durchquert (Certes, dass in Westchina schon Beijing-Zeit herrscht - MEZ+6h - entspricht weniger den geografischen Verhaeltnissen, als vielmehr den auferzwungenen politischen Tatsachen.) und sind auf der anderen Seite des eruasischen Kontinentalkomplexes angekommen.


Wir sind buchstaeblich von den Hoehen Kirgistans her kommend in die chinesische Welt abgetaucht und lassen uns vom sprudelnden Leben hier berauschen, traenken unsere ausgetrockneten Zungen und maesten unsere ausgezerrten Koerper.

Eine britannishe Garde hat uns durch Kirgistan eskortiert.

Ob wir das Jenseits Eurasiens je erreichen wuerden, das wussten wir bis zuletzt nicht. Die ungewissen Lage im Ferganatal, wo wilde Horden die Stadt Osch gebrandschatzt und hunderte Usbeken ermordet haben, liess es zunaechst unmoeglich erscheinen, den Transit durch den suedlichen Zipfel des Landes zu wagen. So unser letzter Bericht.


Lange ists her
2000 km und mehr
Internet bislang eine Maer




Was bisher geschah:


Auf geplanter Route steuerten die fidelen Radler das besagte Wakhan-Tal an. Bald stockte ihnen der Atem als sich im Hintergrund der Hindukusch aufzutuermen begann. Jaehe Nordwaende ragen hier vertikal aus der Troposphaere hinaus, als ob es kaeni Graenze meh git. Bald klemmen ihnen die Nerven in den Nackenwirbeln vom Hochschauen aus gebueckter Radlerhaltung zu de Gipfle ufe und bald renkten sich ihre Unterkiefer aus aufgrund ununterbrochenen Staunens ueber nie gesehene Dimensionen alpiner Auswuechse. Neben ihrem Keuchen hoerte man von ihnen nur noch atemlos gepresste Ausrufe: "Ou verreckte Cheib" mumpfte er; "Laeck verbraennti Zaeine" rafzte sie.



Je weiter sie vorstiessen ins stetig ansteigende Tal, desto duenner wurde die Luft, desto trockener das Land und sandiger der Untergrund. Bald reduzierten sich die Farben zu einer Dreifaltigkeit aus Grau vom Fels, Blau vom Himmel und Gruen von den Feldern und Pappeln entlang der immer spaerlicher werdenden bewaesserten Streifen. Das gleissende Hochgebirgslicht berauschte sie und die immer lebensfeindlicher werdende Landschaft lies sie eher auf dem Mond waehnen, denn auf Mutter Erde.



Auch die Versorgungslage in den immer spaerlicher werdenden Doerfern wurde mit fortschreitender Distanz, und durch die wegen geschlossener kirgisischer Grenze von der anderen Seite abgeschnittener Lage, immer lebensfeindlicher; bis am Schluss, auf dem Pamir-Plateau angekommen, nur noch ein paar Saecke Pasta, eine handvoll Tomatenpasten und drei verschiedene Sorten Bonbons feilgeboten wurden. Dies in einem Laden in einem Einod, jeweils 150 km entfernt von den naechsten Doerfern in beide Richtungen der einzigen Strasse.



Hier oben waechst nichts mehr ausser ein paar salziger Graeser, an welchen sich die Yaks laben. Auf dieser Hoehe (zwischen 3600 und 4600 m.ue.M.) herrschen mit 70 mm Jahresniederschlag (in Murgab) Wuestenverhaeltnisse. Wenn die Sonne scheint, dann mit einer Brutalitaet, dass es einem die Nase versengt; doch wenn die Sonne 10 Sekunden spaeter wieder hinter den Wolken verschwindet, faellt die Temperatur, dass sich die Radler wieder in die waermste Winterkleidung werfen muessen, um den herannahenden Scheesturm zu ueberstehen. Abends fluechten sich unsere Helden jeweils schleunigst in die warmen Schlafsaecke um den nagenden naechtlichen Frost zu ueberleben.



Kein Ferienklima, und so ziehen sie denn zuegig ueber die Paesse in Richtung kirgisischer Grenze, wo die Strasse wieder in humanere Hoehenzonen abfaellt. Doch was sie zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: Ist die Grenze ueberhaupt offen? die wilden Horden in Kirgistan in Schach gehalten, und die Einreise nach China wieder zugelassen? Oder steuern sie auf eine Falle zu, von wo China unzugaenglich waere, der Rueckzug nach Tadschikistan nach erstmaliger Ausreise unmoeglich und nur noch die Flucht ueber das neuralgische Osch nach Bischkek bliebe?



Nachdem die Nachricht ueber die sich beruhigende Lage auch zu den Radlern - abgeschnitten von jeglichen medialen Informationsquellen - gedrungen ist, verflogen die letzten Bedenken als sie Veloreisende aus entgegengesetzter Richtung kreuzten. Von da an war ihr Weg gepflastert und ueber die Grenzen gings gleitig. Die zwei Tage Kirgistan hinterliessen den Drang in dieses Land zurueckzukehren. Doch vorerst sollte es wieder waermer werden und das Essen ein wenig fulminanter als Yogurt und Brot.

tadschikisches Singlespeed

Sie haben gefunden nach was sie sich sehnten. Der Chinese weiss zu kochen, dass es kracht. So geniessen Lena und Beni nach durchlebten Abenteuern die Ueberbleibsel der orientalischen (d.h. uigurischen) Maerchenstadt Kashgar, bevor sie dem Erdboden gleichgemacht wird und anstelle dessen eine moderne Chinesenstadt nach westlichem Schnittmuster errichtet wird. Von hier wird per Zug weitergereist, ueber Xian nach Beijing und heim. Was die Reisenden an diesem Scheitelpunkt ihrer Unternehmung durchleben, erfahrst du im naechsten Post, wenn es wieder heisst, was bisher geschah.

abgerissener Altstadtteil in Kashgar

1 Kommentar:

  1. Auf die Gefahr hin, dass ich das Wort auf eurem Blog schon überstrapaziert habe: Bombastisch. Geniesst nach eurem Elefantenritt den hanibal'schen Triumph. Es freut sich auf eure Rückkehr, der Fanclub

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