Freitag, 23. April 2010

Das gemeine persische Neubau-Minarett


Der frappante Unterschied zum tuerkischen Neubau-Minarett liegt offensichtlich in der Qualitaet der Ausarbeitung (Wellblech auf der einen, feinste Ornament-Malerei auf der anderen Seite) und ist wohl u.a. begruendet durch die unterschiedlichen Finanzquellen: Waehrend in der Tuerkei private Konsortien fuer die Baukosten aufkommen (jeder Bauer wirft noch einen Teil seiner Ernte ein), klotzt in Persien der islamistische Staat. Das Auge freut's. Es hinterlaesst jedoch auch einen etwas fahlen Nachgeschmack: dasselbe Geld fehlt unweigerlich in der Bildung, im Sozialwesen, oder Aehnlichem. Und so zeigt ein Passant auf die fotografierte Moschee (Bild oben, Kermanshah) mit einer wegwerfenden Handbewegung. Offenbar kann er sich mit ebendiesem Sachverhalt nur wenig identifizieren.
Zu beachten ist auch die hiesige zwei-minarettige Architektur des Schiismus, im Gegensatz zur ein-minarettigen sunnitischen, welche u.a. in der Tuerkei vorherrschend ist.

Freitag, 16. April 2010

Ankunft und Aufbruch im Iran

Lake Orumyieh

Wir sind angekommen im Land, wo nicht an jeder Ecke ein HiSpeed InternetCafe steht (und wenn, dann sind Seiten wie facebook oder youtubegesperrt), wo man nicht ohne Muehe das eigene Handy fuer Auslandgespraechebenutzen kann und ohne speziell registrierter iraner SIM Card nicht einmalInlandgespraeche durchzufuehren sind.

Wir haben uns auf Iran als einen Hoehepunkt unserer Reise gefreut. Riesige karge Landschaften und die Schoenheit der alten islamischen Architektur, die die halbe Welt bedeuten (wird ueber Esfahan gesagt). Aber auch das Interesse an einem Land, das mit seinem politischen System eine Kuriositaet darstellt (die einzige islamistische Republik, die es jegegeben hat) und selber zu erfahren, wie die Menschen darin leben, was sie uns zu berichten haben, wenn ueberhaupt, und vor allem ob ueberhaupt offen berichtet wird.

Kandavan - bewohnte Erdbehausungen nahe Tabriz

Allein das Wort 'Iran' war jedoch immer auch Grund zur Beunruhigung von Eltern und sonstigen Mitmenschen mit elterlicher Besorgnis ueber unserVorhaben. Entsprechend haben wir uns Bedrohungsszenarien ausgemalt: Geltungsbeduerftige iranische Beamte, die den Pass minutenlang studieren, dann irgend etwas unstimmiges feststellen und uns deshalb ausfragen und verhoeren und dann ein Buch in unserem Gepaeck finden, das kritische Toene uebers herrschende Regime beinhaltet und schon ists geschehen..

Natuerlich hatten wir auch ein Verteidigungsdispositiv parat fuer diesen Fall (wahnsinnig freundlich, kooperativ sein und mit viel Sympathie fuer die Islamische Revolution).
Es kam dann auch fast so (Bedrohungsszenario). Wir sind mit dem Nachtzug von Van nach Tabriz eingereist, zusammen mit ein paar hundert der paar Millionen Iraner, die ueber Novruz (Neujahrsferien) ein paar Tage in der relativ freiheitlichenTuerkei verbracht haben. Am tuerkischen Grenzposten, wo hundert unruhige Iraner das Schlangenstehen aufs Groebste missachteten, was seinerseits unweigerlich in Handgreiflichkeiten muenden musste und es auch tat, da fing es im meinem Magen an zu rumoren.

Das letzte Lahmacun begann, seine Verdorbenheit kund zu tun und riss zuerst mich und wenig spaeter auch Lena in die Qualen einer annaehrenden Lebensmittelvergiftung (so benannte ich es zumindest fuer mich im Moment des Selbstmitleides). Dass eine Nachtzugfahrt kombiniert mit den oben beschriebenen koerperlichen Unannehmlichkeiten zu einer Schwaechung der Kraefte und einer entsprechenden Schwaechung der Moral fuehrt, muss wohl nicht weiter erlaeutert werden. Auf jeden fall lag unser Verteidigungsdispositiv darnieder, als der erste Vertreter der Islamischen Grenzwache an dieWC-Tuer polterte und Lena, die darin ihren Kampf mit dem Verdauungstrakt kaempfte, die Tragweite des Polterns nicht erfasste. Auf jeden Fall war das obligate Kopftuch nicht vorhanden und so verletzte Lenas Haarpracht schon bei der ersten Gelegenheit die Regeln des Landes.

nach dem berichteten Schneefall

Ich nutzte dann die zweite Gelegenheit. Da ich mich nach der anstrengenden Nacht kaum auf den Fuessen halten konnte, musste ich mich schon arg zusammennehmen, dass ich moeglichst dem Verteidigungsdispositiv entsprechend auf die Frage des Zollbeamten, der mich als einziger aus demZug in sein Buero bestellte, anwortete: "My name is Benjamin Stocker,Sir." Auf meinem Visum steht, in Farsi, weshalb ich es nicht lesen und bemerken konnte, dass mein Name Abdul Ghani Adhiasar sei.
Und so ward auch eine zweite Regel des Landes verletzt: ungueltiges Visum, und es begann ein Spiessrutenlauf durch etliche Stockwerke (bis hinauf ins fuenfte!) und verschiedene Bueros, stattfindend in Teheran, einer Stadt, die sich nicht unbedingt damit auszeichnet, dass man angehem von einem Punkt zum naechsten kommt.

In der Tat, Teheran muss wohl von einem oekologischen Gesichtspunkt als urbanes Geschwuer bezeichnet werden: Die Bevoelkerung ist seit der Islamischen Revolution 1979 von 6 auf 17 Millionen angewachsen. Der Individualverkehr entwickelt sich ensprechend des (zumindest bis anhin) praktisch gratis zur Verfuegung gestellten Benzins ungehindert. Dabei spielt die Blechkiste namens Paykan eine nach wie vor zentrale Rolle: Bis vor ein paar Jahren praktisch das einzige Auto auf Irans Strassen, nach70erjahre-Plan produziert und ein Benzinverbrauch von 15 l auf 100 km, nicht bleifrei und ohne Katalysator. Ich hatte Kopfweh.

Teheran

Der Spiessrutenlauf hat ein zufriedenstellendes Ende genommen und ich antwortete auf die Frage, gestellt im fuenften Stock, was ich von Ahmedinejad halte mit: "Ach, wissen sie, ich interessiere mich nicht fuerPolitik. Ich bin hier um die Kultur und die Leute kennenzulernen."

Und so ging es dann auch weiter. Man muss hier dem ab den geschilderten Ereignissen zunehmend besorgten Leser oder Leserin auch berichten, wie wir beide mit einer unfassbaren Hilfsbereitschaft und Offenherzigkeit durch diese eher muehseligen ersten Tage im Iran gelotst wurden. In Teheran wurden wir von Afsaneh und Manoocheh (kinderlos, in their 40s) beherbergtund sie fuhren mit uns zu Gangsta Rap auf Volllautstaerke ueber die unendlichen Expressways der Stadt. Zum Znacht gabs Hamburger und Pizza, das verbotene Satellitenfernsehen brachte Videoclips und Frauengesang (streng verboten, hier), zum Fenster hinaus sah man das Gefaengnisareal, wo zur Zeit Kulturschaffende und Regimekritiker interniert sind, und die Frage, wieso Obama nicht endlich den Iran angreift, konnten wir offenbar nur unbefriedigend beantworten.
So wurde uns exemplarisch vor Augen gefuehrt,dass man durch Verbote Bedurfnisse und Traeume nur schueren kann aber in keinster Weise ausloeschen. (Ist es denn nicht geradezu unmenschlich, nicht tanzen zu duerfen?)

Afsaneh und Manoocheh

Unser Freund (name unbekannt), ebenfalls wie Afsaneh und Manoocheh im Zug getroffen, hat sich uns Kotzenden angenommen, wie wir wohl nur unsere Geschwister oder Kinder behueten wuerden. Und es faellt auf, dass diese Bruederlichkeit zu uns Europaern verstaendlich wird vor dem Hintergrund seines Schicksals im heutigen Iran und seinen Traeumen vom Auswandern. Dazu hat er allen Grund.
Paykan
Es faellt sowieso auf, wie oft es Leute sind, die nichts von der Islamischen Revolution halten, die uns ansprechen. Es sind diese, die gerade jetzt danach duersten, ihre Verstaendnislosigkeit und Wut auf das Regime einem Fremdem mitzuteilen. Es geht auch darum, klar zu machen, dass sie sich fuer ihr Regime schaemen. Gerade in den kurdischen Gebieten (rund um Sanandaj, siehe Route) verdrehen die Leute oft die Augen wenn sie vom islamistischen Regime sprechen, ja sogar wenn sie auf eine Moschee zeigen!

Na, ne Eisdiele, ja

Und, sehr bemerkenswert: Die Schweiz ist einfach nur gut (figurierte sie doch wiederholt als Vermittlerin fuer die kurdischen Anliegen, Micheline ist wohl auch noch im Gedaechtnis, oder zumindest die aktive schweizer Diplomatie in Teheran - vertritt die USA. Und das Wetterhorn, das Matterhorn und der Weissstrubel sind beliebte Motive, geradezu Idealbilder einer Landschaft in den Augen eines Bewohners eines ariden Hochlandes).


Und: die Minarettinitiative war noch nicht ein einziges Mal bemerktworden! Eben: aktive schweizer Diplomatie. (so, jetzt faehrt Lena weiter)


Nach zwei Wochen Velopause gehts dann endlich wieder los. Von Taebriz in den Sueden Richtung
Kurdistan.Wieder im Sattel zu sitzen tat gut, doch schon beim ersten tiefen
Erleichterungsseufzer endlich den hektischen Grossstaedten entflohen zu sein, fuellt sich
die Lunge mit ungefiltertem Abgas der unzaehligen Paykans, die ungebremst vorbeibrausen. Dennoch, sie sind nicht die schlimmsten Gefaehrten der iranischen Landstrasse. Schwere Lastwagen mit dem Auspuff auf der rechten Seite sind unsere besten Freunde; wenn dann auch noch der Pannenstreife fehlt, wird aus der gemuehtlichen Ueberlandtour eine recht angespannte Sache.

in Kordestan

Da tut es gut, wenn ab und zu ein Wagen haelt, die Teekanne auspackt wird und wir zu einer Pause eingeladen werden. Manchmal ists auch nur ein "Hello Mister, where are you from? Iran chube?", ein aendeschuetteln (natuerlich nur dem Manne, eine Frau beruehrt man nicht, ist es nicht die eigene...) und dann geht weiter. Oder, wenn zum Anhalten keine Zeit ist, werden wir vom Vorbeifahrenden Auto aus fotografiert oder gefilmt - immerhin, man hat einen Beweis in der Hand, heute Velofahrende Touristen gesehen zu haben.

Ist es schon Nachmittag und wir in der Naehe einer Stadt, kommt es auch vor, dass sie nicht
nur ein Foto von uns, sondern gerade der lebende Beweis mit nachhause bringen wollen, und wir somit fuer eine Nacht eingeladen werden. Ein Znacht auf dem ausgebreiteten Tuch auf dem Familienteppich, traditionelle Musik und Kinder, die uns azerischen Tanz vorzeigen moechten (fuer Kinder ist das Tanzen noch erlaubt), dann Fotosession mit der ganzen Familie und meist noch Fotos angucken von den letzen paar Jahren Familiengeschichte. Das ist alles sehr interessant und spannend, kriegen wir doch auf diese Weise einen grossen Einblick in die iranische Gesellschaft, deren alltaegliches Leben, Sorgen und Meinungen ueber ihr Land und System (welche die meisten Bekanntschaften offen und direkt heraussagen.)


Trotzdem tut es zwischendurch gut, sich einfach ins eigene Zelt verkriechen zu koennen, ohne Kopftuch und mit Fertigsaucen-Pasta im Bauch. Doch dafuer haben die meisten Iraner kein Verstaendnis; Gastfreundschaft auszuschlagen ist wohl nicht sehr anstaendig, aber manchmal unumgaenglich, will man einen Abend lang die westlich individuelle Einsamkeit geniessen.


In einem Restaurant selber bezahlen zu muessen wird in Kurdistan zur Ausnahme. Entweder uebernehmen das andere Gaeste mit denen wir ein paar Worte wechseln, oder, falls diese nicht vor Ort sind, erlaesst uns der Wirt selber die Kosten - da hilft auch vehementes Protestieren nichts.

So, langsam rumort der Bauch wieder und wir freuen uns auf den frischen Banaenmilchshake in der Eisdiele gleich ums Eck.

Moin aus Kermanshah.

Route Info
10.4. - 22.4.: Tabriz -  Kermanshah - Khoram Abad - Esfahan, 1100 km + 100 km in bus,  12 cycling days. Hilly to mountainous landscape. No big climbs, but rarely flat. Between Tabriz and Sanandaj all agricultural land, hard to find a good wild camping spot, the same between Kermanshah and Khoram Abad (decided not to ask for a bed in a village after stone throwing kids were attacking us). Better after Khoram Abad.
The joy of cycling strongly depends on traffic conditions and whether you have this nice extra lane at the side of the road all for yourself. Between Bukan and Sanandaj, very often this is not the case and traffic is horrible. Thus, cycling may be quite dangerous. Superb riding between Sanandaj and Kermanshah, before Khoram Abad and between Dorud and Esfahan.
10.4.: Tabriz to Lake Orumyieh, camping at its coast in Rahmanloo (turn off main road after ca. 85 km coming from Tabriz, before Ajabshir, right beside big petrol station, sign visible, 8 km to lake). We were offered to stay in a bungalow. Weird scenery. No food available. Water yes.
11.4.: to Miyandoab, invited to private house, but hotels are available. Good road, flat, nothing special.
12.4.: to Saqqez. moderately hilly landscape. 3 Hotels in Saqqez (need hard bargaining)
13.4.: to Divandareh. more hilly, climbs to over 2000 m (mind the season!), small and dangerous road, heavy traffic. (In order not to have to spend Lena's birthday on these roads, we took the bus from Divandareh to Sanandaj)
14.4.: Sanandaj - (before Kamiyaran). Great road, some passes to climb, less traffic, numerous roadside restaurants along the way. Camping near small village in a tree garden (we asked the owner before) 
15.4.: to Kermanshah. Great scenery, good road, mostly downhill after high pass before Kamiyaran. Nice and clean Azadi Mozafferkaneh with courtyard near Azadi Sq.
17.4.: Kermanshah - Nurabad. Less traffic after leaving the Kermanshah - Hamadan road. Nice scenery. Weird villages (stone throwing kids, everybody warned us of the dangerous people - we didn't know quite how serious to take it). Stayed in private house
18.4.: Nurabad - Khoram Abad. Again, quite nice scenery, especially before Khoram Abad. Invited to private house.
19.4.: Khoram Abad - Dorud. Heavy traffic on road, but mostly with that extra lane at the side of the road. 2 passes to climb. Mozafferkaneh in Dorud.
20.4.: Dorud - (near Aligudarz). Slowly climbing road. Camping some km after Aligudarz. Again, asked owner of land before.
21.4.: (near Aligudarz) - (near Daran). Ever more impressive landscape: Snowy Zagros mountain range along the road. High altitude: all over 2000 m. Camping hidden behind trees some 10 km after Daran.
22.4.: (near Daran) - Esfahan. One (slight) downhill streching over 100 km. Long ride into town, but relatively pleasant: straight road always follow the 'Esfahan'-sign.