Samstag, 24. Juli 2010

Freut ihr euch, heimzukehren?

Allen, die durch eine negative Antwort beleidigt waeren, sei hiermit gesagt: Ja, vor allem deinetwegen; wir haben dich vermisst. Allen andern soll hiermit eine etwas differenzierte Ausfuehrung ueber die Befindlichkeit von zwei Fernreisenden am Ende einer grossen Unternehmung geboten werden.









Die langen Distanzen bewaeltigt zu haben, sich jeden Abend einen Schlafplatz gefunden zu haben, und (vorwiegend) aus eigener Kraft hier angekommen zu sein, das befluegelt zu einer Fortsetzung. Es fuehren Wege weiter in Laender, die man auch bereisen moechte. In dieser Sitaution scheint es unwuerdig, das Konsistente einer Veloreise zu unterbrechen und in n Jahren nach x zu fliegen um ein bisschen weiterzufahren. Die Aesthetik des Weges, der zu Hause seinen Anfang nahm, ginge so verloren.


Gleichzeitig wissen wir, dass wir die Kunst des Veloreisens erlernt haben. Die anfaenglichen Bedenken (Moegen wir monatelang tagtaeglich fuenf, sechs Stunden velofahren? Halten wir es zusammen ueberhaupt aus? Kommen wir in der begrenzten Zeit bis nach Kashgar, oder wird es ein Gehetze?) sind vom Gegenteil entkraeftigt. Das verleitet, den Weg weiterzuspinnen.


Doch die elterlich besorgten Mitmenschen, Doktoratsbetreuer und BusenfreundInnen koennen erleichtert sein. Wir planen nicht, unser Leben von nun an mit endlosem Vagabundieren in exotischen Laendern zu verbringen und unser taeglich Brot als Probanden fuer Menschenversuche von Pharmaunternehmen zu verdienen. Dies ist die Lebensgeschichte eines Traveller-Bums, wessen Weg wir mehrmals gekreuzt haben.



Mit Wehmut haben wir unsere Velos zum Alteisen gelegt.


Jeden Monat in ein anderes Land und somit in eine neue Welt einzutauchen, macht auch irgendwann satt. Waehrend wir zu Beginn noch des Tuerkischen nach einem Monat fliessend maechtig waren, im Iran dann immerhin noch des Muezzins Ruf auswendig mitsingen konnten, in Zentralasien uns wenigsten Lena mit ihrem Russisch durchs taegliche Leben manoevrieren konnte, so hat es hier in China bisher noch nicht einmal fuer die Zahlen von eins bis zehn gereicht.

Eine gewisse Reisemuedigkeit macht sich auch dadurch bemerkbar, dass man nicht mehr jede Sonderbarkeit einfach nur aufregend findet. Waehrend es zu Beginn der Reise einem noch die Traenen in die Augen trieb, wenn jeder noch so hemdsaermlige Lastwagenchauffeur seine Freude ueber zwei Radfahrer mit einem kraeftigen Hupen von Herzen ausgedrueckt hat, so begann dieses obligate aber nicht minder ohrenbetaeubende Horn schon bald nur noch zu nerven. Oder waehrend man auf die ersten dutzend 'Where are you from?' oder seinen unzaehligen Variationen in den jeweiligen Sprachen noch mit voelkerverstaendigendem Eifer am liebsten auch noch gerade die Direkte Demokratie erklaert hat, so sind wir nach dem zehntausendsten Mal dazu uebergegangen, ab und zu mit 'Swaziland' oder 'Afghanistan' zu antworten, um uns ab den Reaktionen bei Laune zu halten.





Dieser Zynismus ruehrt von einer gewissen Reisemuedigkeit her, die wohl auch dadurch verursacht wird, dass hier jede banale Aufgabe zur nervenaufreibenden Herausforderung wird. Es treibt einem graue Haare auf den Kopf, wenn man sechs Stunden auf der Post verbringt, um ein Paeckli heimzuschicken und dies erst gelingt, wenn man Auskuenfte ignoriert (Der Zollbeamte sei im zweiten Stock, aber momentan nicht anwesend - wir suchen ihn trotzdem auf), Verantwortliche anluegt (Der Zollbeamte habe alles gecheckt und sein OK gegeben), Schlangenstehen missachtet und Draengler gleichzeitig mit Ellbogengewalt auf die Plaetze verweist und zuletzt ungemein loesungsorientiert handeln muss (Anstatt alle Ecken des zu grossen Paeckli aufwaendig zurechtschneiden, einfach einen groesseren Postsack verwenden, damit es reinpasst).


Zynismus ist aber auch die naheliegendste Reaktion, wenn man auf die Frage, ob wir nun ein Permit brauchen, um mehr als dreissig Tage in Tadschikistan zu verweilen, darauf nie konsistente Antworten bekommt - von keinem Amt, weil es so etwas im korruptesten Land der Welt in der uns bekannten Form gar nicht gibt - man dann hundert Dollar zahlt um doch eins vonem einem "Travel Agent" ausstellen zu lassen, damit wir an einem fernen Polizei-Checkpoint nicht wegen einem fehlenden Stempel von einem "Beamten" ausgenommen werden koennen, uns dann aber doch niemand danach fragt.




..Schmiergeld ist noetig, um das Raederwerk des Staates zum Laufen zu bringen..

Manchmal rege ich mich nicht nur darueber auf, dass Bakschisch (Schmiergeld) der Treibstoff allen wirtschaftlichen und politischen Treibens ist, sich die regierende Elite dabei schamlos bereichert und das Volk verarmt, sondern mache gleich jeden Einheimischen unterbewusst dafuer verantwortlich, weil er sich nicht gegen diese Ungerechtigkeit mit einer Revolution erhebt. Ausdruck dieser Haltung ist auch, dass ich mich dann ploetzlich darueber aufrege, dass die Leute nur zwei langweilige Gerichte essen, es im staubigen Laden nur zwanzig Produkte zu kaufen gibt, aus keinem Wasserhahn fliessendes Wasser kommt und die Strassen so schlecht gebaut sind, dass sie von jedem Regen wieder weggeschwemmt werden. Dabei sind dies alles Ausdruecke der Armut, wofuer der oder die Einzelne nicht so verantwortlich gemacht werden koennen.





Ja, wenn einen das persoenlich stresst, dann ist es langsam Zeit, in die geordnete Schweiz zurueckzukehren. Raus aus diesen Schurkenstaaten. Raus aus diesen Laendern, wo Ehebrecherinnen gesteinigt werden (Iran), wo der Drogenhandel 50% des BIP ausmacht (Tadschikistan), wo vermeintliche Spione in der Wueste bei 50 Grad schaufeln muessen und am darauf austretenden Gas elendiglich verrecken (Turkmenistan) und wo sich alle Browserfenster ominoes automatisch schliessen, wenn man zehn Sekunden auf einer verraeterischen Seite wie Google-Maps verweilt (ein Internetspion lacht sich dabei haemisch ins Faeustchen, China).

Wir wollen wieder schweizerische Unschuld, ungetruebten Reichtum und v.a. Greyerzer, Wein und Mutters Kuchen.

Wir freuen uns, euch wiederzusehen!

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