Nachdem ein analytischer Grundton in unseren bisherigen Blogs schwerlich zu verkennen war, soll hier das Banale und Emotionale unseres Veloreisens thematisiert werden.
Anlass dazu gibt die Leserfrage "Wo bleibt denn die Euphorie?"
Das soll hier jedoch keine Rechtfertigung unsererseits werden, sondern eher ein Berichten ueber das, was uns tagtaeglich antreibt und auf Achse haelt. Es schien mir zunaechst unangebracht, die Leserschaft mit der Erzaehlung zu langweilen, wann wir aufwachen, was wir fruehstuecken, ob das Fuedle schmerzt, was wir zu Mittag essen, ob die Pedale knackt und wann wir zu Bett gehen.
Doch angesichts der gestellten Frage scheint hier eine nuechterne Schilderung des Veloalltags dringlich. Hat man denn zuhause das Gefuehl, es laufe uns staendig kalt den Ruecken runter ob der landschaftlichen Schoenheit und immerzu die Traenen in den Augen vor Ruehrung ob der voelkervereinenden Freundlichkeit unserer oestlichen Mitmenschen? Der Philosoph sagt, das Glueck sei kein Zustand, sondern vergangen, sobald man es erfasst hat. Was dazwischen passiert, ist harte Arbeit! Fuenf bis sechs Stunden reine Fahrzeit, jeden Tag. Dabei muessen etliche Banalitaeten des Alltages bewaeltigt werden.
Und so sieht ein solcher Alltag aus:
Aufwachen immer vor sieben Uhr, weil die Blase - gefuellt von zahllosen Schwarztees am Vortag - drueckt und der Magen-Darmtrakt in seiner eindruecklichen Puenktlichkeit sein taegliches Produkt ankuendigt.
Auf die so provozierte Erleichterung folgt ein brennendes Hungergefuehl. Ohne dieses gestillt zu haben, laeuft erst gar nichts, oder zumindest nichts mit Euphoriegefuehlen verbundenes.
In der Tat ist die Befriedigung die erste Tagesaufgabe, die ein Mindestmass an loesungsorientierter Problemauffassungsgabe voraussetzt: Wie bekomme ich meine morgendliche Mahlzeit mit einem Maximum an Naehrwert innerhalb vernuenfig kurzer Zeit?
Nach dem Beladen des Fahrrades, was ein Mindestmass an Koordinationsvermoegen voraussetzt, ist der Orientierungssinn gefragt. Wo gehts aus der Stadt in die richtige Richtung? So kann es auch mal vorkommen, dass wir, so geschehen in Aleppo, an einem Kreisel den Kompass konsultieren.
Ist erst mal der Weg des Tages eingeschlagen, richtet sich der Blick entweder auf das Hinterrad von Hispeed Leni, oder vorne fahrend erschreckend haeufig auf den Velocomputer, der mit seiner Geschwindigkeits- und Distanzangabe die Gemuetsverfassung zwar nicht gerade diktiert, doch immerhin einen wesentlichen Einfluss darauf zu haben scheint.
Zeigt er eine Geschwindigkeit von unter 19 km/h an und tropft gleichzeitig eine Schweissperle von der Nase, sucht man nach Erklaerungen und bemerkt gegebenenfalls ein besonders starkes Flattern des Trikots. Dies erklaert der Velofahrer damit, dass der Fall eingetreten ist, einen Gegenwindtag erwischt zu haben. Davon ausgehend dass dieser Fall und sein Pendant (Rueckenwind) binomialverteilt sind, mit Eintretenswahrscheinlichkeiten von je 50 %, und dass das ganze ortsunabhaengig ist, verlaesst sich der Rationalist auf die ausgleichende Gerechtigkeit der hohen Zahlen und freut sich ab der Sehlenruhe des Weitreisenden, der sich auf seine zahllosen Velotage verlaesst.
Nimmt der Gegenwindfall jedoch eine solche Haeufigkeit an, dass sich der Rationalist gezwungen sieht, aufgrund seiner gefuehlten Teststatistik die oben erwaehnte Hypothese bei einem Konfidenzniveau von 99.9 % zu verwerfen, hilft nur noch die Erklaerung, dass wohl gleichzeitig mehr als zwei Velofahrer in der Gegenrichtung unterwegs sind, was die Windgoetter dazu bewegt haben muss, deren Gebet zu erhoeren und nicht unseres.
Im naechsten Stadium, wo wir selbst den Glauben and die Windgoetter aufgegeben haben, nachdem wir erst eine Woche von Syrien gen Norden nach Zentralanatolien und danach eine Woche von Tabriz im Nordwestiran gen Sueden gegen einen stetigen Gegenwind kaempfen, und dabei keine anderen Velofahrer antreffen, setzt sich die Einsicht durch, dass die Annahme der Ortsunabhaengigkeit nicht zulaessig ist.
Ja, solche Gedanken kreisen dem Velofahrer waehrend den besagten fuenf bis sechs Stunden im Kopf.
Doch dann sind wir ueber den Berg, nachdem wir das Zagrosgebirge zwischen Khoramabad und Esfahan ueberquert haben. Das hier herrschende Windregime spielt uns in den Ruecken und wir lassen uns durch die unendlich weiten Taeler vorbei an schneebedeckten Gipfeln hinab in das knochentrockene zentralpersische Hochplateau (eher ein Becken) treiben. Hier wartet die herrliche Stadt Esfahan auf uns, wo wir uns in der hiesigen Backpackerunterkunft endlich wieder mal mit Unseresgleichen (Velofahrerpaerchen aus Bern) unterhalten koennen und die Stadt geniessen (siehe letzter Blog).
In den Wuestengegenden oestlich von Esfahan, die wir zuletzt befahren haben (siehe Route) flattert manchmal gar nichts, wir pedalieren kaum und sausen totzdem mit ueber 30 km/h durch die Gegend. Es handelt sich dabei um eine jener "Abfahrten", die sich ueber bis zu 100 km erstrecken koennen, ohne Gegenanstieg. Man bemerkt die Neigung nicht, da man geradeaus auf einer Flaeche faehrt, die ueber die Jahrmillionen der Erosion ausnivelliert wurde. Das Auge kann die Neigung nicht erfassen, da sich die offenbar schraegen Flaechen ueber so grosse Weiten erstrecken.
In dieser absolut menschenleeren, nackten Welt richtet sich der Blick auf den weitern Horizont, wo der naechste Gebirgszug wie ein riesenhaftes Schiff aus dem Meer von Stein, Sand und Salz hervorragt. Irgendwo zwischen zwei solchen Gebirgszuegen ueberqueren wir ein Wadi (periodisch wasserfuehrendes Tal). Dahinter gehts ebenso flach wieder bergauf.
Mit der stoischen Ruhe des Weitreisenden arbeiten wir uns so ueber die unfassbaren Weiten der Wueste Kavir. Und nach ein paar Dutzend Kilometer bemerken wir, dass wir ein paar hundert Meter an Hoehe gewonnen haben.
Der Strassenverkehr verlangt unsere Aufmerksamkeit nicht mehr, da nur alle paar Minuten der naechste Laster schon Kilometer vor seinem Passieren sich mit seinem Laerm ankuendigt. Die Zahlen auf dem Velocomputer werden nichtig, da diese Weiten nicht mehr mit Leistung zu bewaeltigen scheinen, sondern mit Willen.
Solche Momente sind es, wo das Alltaegliche und Jetztige keine Rolle mehr spielen. Man schaut in die Welt hinaus und erfasst, dass man sie gerade durchfaehrt. Alles mit eigener Kraft. Man ist da, wo man zuhause waehrend langen Abenden die kuriose Landschaft mit Google-Earth erkundet und sich dabei diese Fremde Welt ausgemalt hat. Wir sind genau hier und machen genau das, wovon wir getraeumt haben. Das ist ein wahnsinnig erfuellendes Gefuehl.
In solchen Momenten raet es sich, die koerpereigenen Drogenausschuettungsmechanismen ein wenig anzufeuern. Das geht ganz gut mit Musik aufm Ohr. Fahr mal durch die Wueste zu Klangteppichverleger Wolle von Dominik Eulberg. Oder breche am Morgen auf zu Changing of the Guards von Bob Dylan. Fast schon gefaehrlich ist es, sich vor der Passhoehe den Rest zu geben mit Aaron von Paul Kalkbrenner.
Hier in der Wueste fuehlen wir uns frei. Der Veloalltag ist nicht mehr durch die Distanzen zwischen Ortschaften vorgegeben, sondern durch den Sonnenstand (oder auch jaeh abgeklemmt durch einen Sandsturm).
Wir fahren, soweit es reicht, schenken von der Strasse und richten unsere Nachtstaette ein auf dem Nichts im Nirgendwo. Am naechsten Tag sollte die Oase dann schon zu erreichen sein...
Oase Garmeh
Route Info
28.4. - 1.5.: Esfahan - Garmeh. 440 km. 4 cycling days. We finally got that desert feeling! Just great for cycling in all belongings.
28.4.: Esfahan - Toudeshk. Flat, not yet so spectacular scenery, slight uphill all the way. Homestay with family Jalali in Toudeshk (see Lonely Planet), contact them in advance. They organize also desert trips.
29.4.: Toudeshk - (before Anarak). 15 km uphill after Toudeshk, then downhill ca. 60 km downhill to Wadi close to Ishtgah (Nain) train station. Fill up water (plenty: generally 5 l per pers. and day) and food in Nain. Supermarket again in Anarak. House ruins 15 km before Anarak make a good place to pitch the tent. Much less traffic on road after Nain!
30.4.: (before Anarak) - (after Chupanan). In between the two villages no facilities, vast stretch of desert ride. Ever less traffic. Fill up water and food in Chupanan. We camped at the side of the road that turns off from Nain - Khoor road just after the turnoff to Chupanan, direction to Garmeh (written in latin letters). Don't take the turnoff to Ardakan!
1.5.: to Garmeh. ca 30 km after turnoff to Garmeh go straight, where other road turns off to left (only farsi road signs), after another 10 km you reach the oasis town of Haftoman. Follow this (the only one) paved road all the way to Garmeh. Impressive desert mountains and absolutely no traffic (to a point where it becomes intimidating). Stayed in Garmeh at homestay (see lonely planet). Not so cheap but absolutely worth it: super-atmospheric traditional mud brick house and the best food we have tasted in Iran so far.
If you have time, take a day to cycle from Garmeh to Mesr (ask). Superb road through sand dunes.
3.5.: We took the bus from Khur to Mashhad. Several buses leave Khur after 7 p.m. In Mashhad, we stayed at the recommendable homestay of Vali (see lonely planet). If you go on to Turkmenistan, he will be a great help to get this visa. Just contact him in advance and he will organize it, so you can only pick it up at the consulate in Mashhad, which saves you a lot of time and hassle!
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