Sonntag, 16. Mai 2010

Unter dem Chador

Wenn es zu einem intimen Gefuehl wird, wenn ein Mann meine Haare sieht, dann stimmt wohl etwas nicht mehr. Doch nach einem Monat verdeckter Haartracht und dem Bewusstsein, dass diese Maenner nur besten Falls im Ferseher oder in den Ferien tuchfreie Frauen zu Gesicht bekommen - ausser der Ehefrau, falls vorhanden - stellt sich genau ein solcher Gefuehl ein. Denn streng genommen - und streng genommen wirds - gilt schon der Bruder des Ehemannes als fremder Mann, vor dem Verhuellungspflicht herrscht. Da es im Iran ueblich ist, sich all abendlich in einem Haus eines Familienmitglieds zu treffen, ist also oft nicht einmal das Hausinnere ein Kopftuchfreier Ort.

 ich bi de Geischt mit em wiisse Hoemmli.
hier auf dem Salzsee in der Dast-e Kavir.

In Teheran, wo die Frauen am meisten Haarpracht zeigen und viele das Kopftuch nur noch pro forma am Hinterkopf tragen, wurde die Bevoelkerung vor dem Zorn Allahs gewarnt, der bald heftige Erdbeben ueber Teheran schicken wird, um das unmoralische Frauenvolk zu bestrafen.
Man kann sich schon fragen, was Allah damit bezwecken will, die Frauen zu verstecken und die gesamte Frauenwelt auf sehr unnatuerliche Art von der Maennerwelt zu trennen. Er sagt damit den Maennern einen fast tierischen Trieb nach, der sie veranlassen wuerde, ueber jedes unverhuellte weibliche Wesen sofort herzufallen. Die zweite Frage ist, ob denn ein solches schwarzes Tuch wirklich die weiblichen Reize gaenzlich verdecken kann. Aber liegt denn die Anziehung nicht ebenso in ausgetauschten Blicken oder in der ganzen Bewegung des Koerpers? Tatsache ist, dass mit der Verschleierung ausschliesslich der Massstab anders gesetzt wird - wie gesagt - wenns bei uns vielleicht langsam intim wird, wenn wir in Unterhosen rumlaufen, beginnts hier halt schon zu kribbeln wenn ein Ellbogen sichtbar wird. Auf die Frage, weshalb die Frauen z.B. an der Uni kein kollektives Kopftuch-Niederlegen organisieren, wurde mir geantwortet, dass viele einfach keine Revolution mehr moechten, obwohl sie des Kopftuches und der Verhuellunf ueberdruessig waeren. Andererseits gibts aber auch viele, die aus Ueberzeugung nicht mitmachen wuerden. Tatsaechlich hab ich auch mit Frauen gesprochen, die mir versicherten, es sei gar nicht so heiss unter dem Chador, und nein, man gewoehne sich daran, stehts mit einer Hand den Stoff unter dem Kinn zusammenzuhalten. Naja, nach einem Monat auf jeden Fall noch nicht.


Um die Pilgerstaette in Mashhad zu besuchen, durfte ich einen Chador (= Zelt, in Farsi) leihen. Doch nebst der praktischen Gegebenheit, dass man sich darunter ungesehen ueberall kratzen kann wo es gerade noetig ist, konnte ich dem schwarzen Tuch keine Sympathie abgewinnen. Binnen kuerzester Zeit begann ich zu schwitzen - die eine Hand haelt das Tuch fest, die andere ist damit beschaeftigt, den Stoff hochzuheben und gegebenen Falls zu befreien, sobald er sich wieder irgendwo verheddert hat. werden beide Haende gebraucht, zum Beispiel um eine Falsche zu oeffnen, wird das Tuch mit dem Mund zusammengehalten - soll nun aber die geoeffnete Flasche an die Lippen gesetzt werden stellt das Tuch von neuem ein Problem dar. Einfach ist das nicht.


Und nebst diesen Unannehmlichkeiten, an die man sich ja vielleicht tatsaechlich mit ein paar Tricks gewoehnen kann, macht mich das schwarze Tucheinfach auch noch sau haessig! Jede Frauengruppe, die durch die Strasse laeuft, sieht aus wie ein Trauerzug; wie wenn es ihnen auferlegt worden waere ein ganzes Leben zu trauern, dass sie eben nicht als Maenner auf die Welt gekommen sind. das hintere Abteil in den oeffentlichen Bussen (wo Frauen strickte von den Maennern getrennt fahren) ist voll von schwarzen Kraehen oder bestenfalls Nonnen, alle Gesichter von Scheuklappen eingegrenzt. Dabei sind die Laeden voll von leuchtigen Frauenkleidern, glaenzenden Tuechern und Roecken - irgendwo im Geheimen muessen die Iranerinnen feurig-farbige Fester feiern. Oder die Kleider haengen im Kleiderschrank und warten auf bessere Zeiten. Ich weiss es nicht.


Einen Boyfriend zu haben ist zwar nicht erlaubt, dennoch ist es bis jetzt noch nicht gelungen die Geschlechter komplet voneinander zu trennen. Es gibt viele, besonders in den Staedten, welche girl- und boyfriends haben - ob sie diese dann auch heiraten duerfen haengt vom Wille der Familie ab. Oft oder meist werden die Hochzeiten arrangiert - auch ich wurde schon nach einem heiratswilligen Mann aus meinem Bekanntenkreis gefragt; hab dann mal meinen Bruder angeboten...
Auf alle Faelle bin ich froh, in einem Teil der Welt zu leben, wo das Verhaeltnis zwischen dem weiblichen und dem maennlichen Geschlecht nicht vom Staat und der Religion (was hier dasselbe ist) kuenstlich verzerrt wird. Und ein grosses Dankeschoen an die sexuelle Revolution!

Nachtrag:
Ich wusste nicht wie wohl ich mich fuehlen wuerde in einer Diktatur wie Turkmenistan. Alle laufen rum, wie es ihnen gefaellt, meist farbig, mit oder ohne Kopftuch. Die Frauen rufen und winken gleich laut wie die Maenner und fragen wir eine Frau nach dem Weg, kommen wir uns nicht mehr vor, wie wenn wir mit einem Tabu sprechen wuerden.

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